Von allen möglichen Plagen, von denen man in der Cannabiswelt heimgesucht werden kann, sorgt eine für besonderes Grausen im Herzen eines jeden Cannabis-Growers: Die gemeine Spinnmilbe (Tetranychus urticae). Dieser winzige Schädling, zu klein, um ihn ohne Lupe erkennen zu können, wird wegen seiner zerstörerischen Kraft in Cannabispflanzungen sehr gefürchtet.
Die meisten Artikel, die man zum Thema Spinnmilben liest, fokussieren sich natürlich darauf, wie man sie am besten loswird. Was alle diese Artikel gemeinsam haben, ist die Warnung, dass wenn man den Befall nicht bekämpft, die Cannabispflanzung, die man so liebevoll gepflegt hat, zerstört wird. Dieser Artikel hier ist jedoch anders, denn wir haben absichtlich Cannabispflanzen mit Spinnmilben infiziert, um zu sehen, was passieren würde!
Das experiment
Die räumliche Begrenzung eines Indoor-Growraums macht Cannabispflanzen für alle möglichen Schädlinge anfällig, die in diese versiegelte Umgebung gelangen, und ja, unser Rat lautet unverändert, extrem alarmiert zu sein, wenn Du ein Indoor-Gras-Grower mit einem Spinnmilbenbefall bist… Solltest Du aber draußen, in einem Gewächshaus oder Folientunnel anbauen, könnte dieses Experiment hier relevant für Dich sein.
Phase 1: Die Ausgangsüberlegung
Das Ziel des Experiments war es, herauszufinden, ob – mit etwas Hilfe – die Natur in dieser Situation eine kompensierende Rolle spielen würde. In der freien Natur laben Schädlinge und Räuber schließlich auch Seite an Seite, und der Räuber einer Spezies ist die Nahrung einer anderen. Die Frage war also nicht “werden die Spinnmilben einer Graspflanze Schaden zufügen?“ (natürlich würden sie das), sondern eher „wie viel Schaden werden die Spinnmilben einer Graspflanze zufügen?“
Phase 2: Das Setup
Spinnmilben werden üblicher Weise im Hochsommer zum Problem für Outdoor-Grower, wenn das Klima trocken wird. Was besonders auch in Gewächshäusern und Folientunneln passiert, wo die Feuchtigkeit in der sommerlichen Tageshitze schnell verdunstet. Ein weiteres Problem bei diesen Anbauplätzen ist, dass die Spinnmilbenpopulationen sich dort schnell zuhause fühlen und dauerhaft einnisten – sie überwintern dort, um sich im darauffolgenden Jahr weiter fortzupflanzen, zu vermehren und sich an dem Pflanzenangebot der neuen Saison zu laben.
Dies war auch bei unserem Test-Anbauort der Fall, einem kleinen Folientunnel mit einem wiederkehrenden Spinnmilbenproblem. Die Erde war sauer (durch die Verwendung von Eisensulfat, um den pH-Wert zu senken) und mit Stallmist und Algen gedüngt. Während der Kultur wurden die Pflanzen mit Biobizz (Grow/Bloom/Top Max) sowie in der vegetativen Phase auch mit konzentriertem Kompostsud gedüngt. Hohe Stickstoffgehalte sind mit Schädlingsbefall in Verbindung gebracht worden, wobei in diesem Fall Spinnmilbenpopulationen typisch für die Gegend waren.
Zwei Sorten wurden in den Boden gesetzt – L.A. Amnesia und Spoetnik #1 – mit einem Abstand von 1-2 Metern. Und so wuchsen die beiden Pflanzen zweieinhalb Monate lang heran, bevor sich gegen Ende Juli die ersten ungebetenen Gäste zeigten, auf größeren Laubblättern wurden immer mehr kleine weiße Flecken sichtbar.
*An dieser Stelle ist es interessant zu wissen, dass während es nicht das Ziel des Experiments war, Resistenzen zu testen, die Spinnmilben L.A. Amnesia komplett mieden und nur Spoetnik als Sommerbehausung auswählten…
Phase 3: Das Hilfspaket
Räuber: Paradise Seeds ist ein großer Freund der Anwendung biologischer Schädlingsbekämpfung. Eine der nicht-giftigen Behandlungsformen, die bei einem Spinnmilbenbefall empfohlen werden, ist der Einsatz von Raubmilben wie Phytoseiulus persimilis (ein Räuber, der über bereits existierende Populationen herfällt) oder Amblyseius californicus und Amblyseius andersoni (die man auch schon präventiv, in Erwartung eines Befalls ausbringen kann, da sie eine Zeit lang ohne Nahrung auskommen können). Also wurde ein Regiment von Phytoseiulus persimilis auf der Pflanze ausgebracht, um zu versuchen, ein natürliches Gleichgewicht herzustellen.
Feuchtigkeit: Spinnmilben lieben ein trockenes heißes Klima, fühlen sich aber weniger wohl, wenn es feucht ist, also sorgte gründliche tägliche Beregnung mit einem Gartensprenger dafür, dass eine feuchte, für die Milben unangenehme Atmosphäre geschaffen wurde. Als die Pflanzen Ende August in Blüte gingen, wurde die Beregnung allerdings heruntergefahren, um das Risiko eines Blütenschimmelbefalls nicht zu erhöhen.
Phase 4: Beobachtung
Wir wollen Dir nichts vormachen, es war nicht so, dass wir da saßen und in aller Ruhe betrachteten, wie sich die Spinnmilben über eine schöne Cannabispflanze hermachten, es gab zahlreiche Momente, in denen wir die Ethik unseres Experiments hinterfragten… Aber obwohl es zu weitflächigen Blattschäden kam, produzierte Spoetnik Buds, und diese waren sogar eindrucksvoller als wir erwartet hatten.
Phase 5: Es kommt zu einem Gleichgewicht
Als sich die Pflanze Anfang Oktober der Reife näherte, verlangsamte sich die schädigende Tätigkeit der Spinnmilben. Was offensichtlich eine Folge des Temperaturabfalls war (bei Temperaturen unter 25° vermehren sich Spinnmilben nicht mehr), sowie der erhöhten herbstlichen Luftfeuchtigkeit, oder aber ein Anzeichen dafür, dass die Raubmilben die Oberhand gewonnen hatten. So oder so: Der Schaden erreichte niemals den fatalen Punkt, an dem alles zu spät ist (es kam nicht zur großflächigen Gespinstbildung), und die inneren Blätter blieben von der Schädigung, wie sie bei den großen äußeren Laubblätter auftrat, verschont.
Phase 6: Helfende Hände
Zwei Wochen vor der Ernte wurden die am schlimmsten befallenen Blätter entfernt.
Phase 7: Ernte
Nach der Ernte wurden die Buds manikürt, um alle Blätter zu entfernen, und aufgehangen – um die Theorie zu überprüfen, dass sobald es kein lebendes Pflanzenmaterial mehr gibt, an dem sie sich laben können, es keinen Grund mehr für die Spinnmilben gibt zu bleiben. Nun, in diesem Fall ging diese Rechnung auf. Trotz des ganzen durch den Spinnmilbenbefall bewirkten Stresses sahen die Buds der Spoetnik-Pflanze überraschend gesund aus, und auch der Ertrag war eine angenehme Überraschung – 81 Gramm.
Was ist durch dieses Experiment also deutlich geworden? Dass Spinnmilben Cannabispflanzen lieben (keine Überraschung!) und sie bei ihnen Schaden anrichten (auch keine Überraschung). Mit etwas Unterstützung sorgt Mutter Natur jedoch oft für ein Gleichgewicht (zumindest outdoors).
Die Moral von der Geschichte ist also, dass es ratsam und ausreichend sein kann, einen Schädlingsbefall lediglich unter Kontrolle zu bekommen, anstatt den oft empfohlenen Weg der vollständigen Auslöschung anzustreben. Ja, so etwas erfordert natürlich etwas Mut und Nerven, aber wenn Du von einem stetig wiederkehrenden Schädlingsproblem heimgesucht wirst, ist es eben manchmal gut, über den Topfrand hinauszudenken…